Die EXPO FLORIADE 2022 in Almere/Amsterdam „Growing green cities“ macht Lust auf Zukunft

Im Jahre 2017 besuchte ich das erste Mal Almere bei Amsterdam. Nach fünf Jahren und 9 Reisen in die seit rund 50 Jahren entstehende „Stadt der Zukunft“ war diesmal die EXPO FLORIADE, ALMERE 2022 mein Reiseziel. Unter dem Titel „Growing Green Cities“ sind noch bis Anfang Oktober innovative urbane Zukunftsprojekte weltweit in einem grünen Riesenareal zu sehen und zu erwandern.

Wie könnten lebenswerte Städte der Zukunft aussehen, wie wird man die wachsenden Städte ernähren, mit Energie versorgen, und vor allem, was kann man tun, damit Freiräume erhalten bleiben und wohnen, arbeiten und erholen an einem Ort möglich ist.  Auf einem Areal von 60 Hektar, unter Beteiligung von rund 30 Ländern, darunter Japan, China, Surinam, Bangladesh, Quatar, Oman, Deutschland, Italien, Türkei uvm. kann man sehen, wie Zukunftstechnologie und Lebensqualität Hand in Hand gehen. Ob es nun Maßnahmen gegen den Klimawandel sind, oder die Schaffung von Anbauflächen auf kleiner werdendem Raum, die Verwendung von alternativen Baustoffen, die Wiederverwertung oder das Upcycling von bereits verwendeten Materialien, die Floriade bietet eine Fülle von Zukunftslösungen für die Menschheit.

Dass die Expo gerade in Almere stattfindet, ist eine wunderbare Ergänzung zum Konzept von Almere, das mit seinen von William Mc Donnough mitgestalteten „Almere Principals“ als Stadt der Zukunft angedacht ist. Nun muss man sagen, dass Almeres Planungskonzept auf dem weitläufigen Neuland mit viel Platz für die meisten Städte, die mit vorgegebenen, engen Strukturen kämpfen, nicht anwendbar ist. Trotzdem gibt es eine Fülle von Ideen, wie Städte in Zukunft zu Wohlfühloasen werden könnten. Allein die Idee des Urban Gardening findet hier, wie auch in Almere allgemein, viel Platz. Die Grünflächen werden zu Gemeinschaftsgärten, die Nahrung liefern und zugleich Kommunikations- und Freizeitraum sind. Hier trifft man sich, arbeitet gemeinsam an einer Idee, tauscht sich aus, lernt sich kennen und vor allem, erntet sein Essen selbst und erspart sich viel Geld.

Mein persönliches Highlight der Floriade ist Utopia, eine grüne Insel im See Weerwater, nun mit einer Brücke mit der Stadt verbunden, wo neben atemberaubenden Landart-Projekten Pflanzen und Bäume aller Art angepflanzt werden. Nuss-, Feigen-, Obstbäume, Kartoffel, Zwiebel, Salat, Tomaten, Gurken, Bohnen … alles wächst und gedeiht auf diesem fruchtbaren Boden und mitten im Wald nebeneinander. Dazwischen haben Öko-Grundschulen, von denen es in Hollande viele gibt, ihre Schaugärten angelegt, jedes Kind hat hier sein eigenes kleines Beet. Dazwischen weitläufige Kunstprojekte aus Weidenzweigen, an denen wohl jahrelang gearbeitet wurde, eine berührende, tunnelähnliche Weiden-Installation mit hunderten Kinderwünschen für die Zukunft, Holzinstallationen, ein Klangbaum, ein handgebautes Tinyhouse mit Märchenerzählungen, eine Soundinstallation mit meditativen Klängen, die die Wände eines weißen Tunnels vibrieren lassen, alles mitten im Wald auf Utopia und Green Island.

Sieben Brücken, alle aus unterschiedlichen Recycling- und Naturmaterialien gebaut, verbinden die Teile des Expo-Geländes, auf dem nach Ende der Ausstellung HORTUS entstehen wird, ein neues Stadtviertel direkt am Wasser, mit Wasserstoff-Energie versorgt. Rund um Hortus wurde eine fünf Kilometer lange Radfahr- und Joggingstrecke angelegt, sie führt an den Ufern des Sees entlang, über die Brücken, durch Wald und Natur und ökologische Zukunftsbauten, ein buntes Naturerlebnis der besonderen Art.

So eindrucksvoll die Floriade und auch Almere sind, so sehr sind die Aufenthalte hier für mich auch eine ganz persönliche Reise nach Innen. Woran es genau liegt, dass sich hier immer alles lockert und ganz neue Zukunftsperspektiven entstehen, kann ich bis jetzt nicht sagen. Liegt es daran, dass auf diesem aus dem Meer gewonnenen Neuland keine blutrünstige Geschichte das „Feld“ stört, liegt es daran, dass mich eine alte, wohl karmische Verbindung hierher gebracht hat oder ist es das junge, multikulturelle und experimentierfreudige Flair in dieser Stadt, wo neue, modernste Architektur mit Natur und Freiheitsgefühl Hand in Hand gehen und wo ich so viel mehr Lockerheit, Freude und Neugier aufs Leben erlebe? Es fühlt sich an wie Heimat, immer wenn ich hierher komme,  auch meine Töchter haben sich in diesem bunten und unkonventionellen Klima sofort heimisch gefühlt, denn jede/r ist hier anders, Hautfarbe ist kein Kriterium mehr.

Eigentlich wollte ich das „Projekt Almere“ mit der Floriade beenden, doch wer weiß, was die Zukunft bringt. Die Floriade ist auf jeden Fall einen Besuch wert, für den man sich mindestens zwei bis drei Tage Zeit nehmen sollte, um auch die entferntesten Naturreservate dieses weiten Ausstellungsgebietes zu erkunden. Was ich mir noch wünsche ist, dass die zahlreichen Bühnen, die hier gebaut wurden, die Pavillons und Kommunikationsräume mehr belebt werden. Hier könnten noch viel mehr Kulturveranstaltungen, Diskussionen, Vorträge oder Events aller Art stattfinden. Aber vielleicht entwickelt sich das noch in den Sommermonaten, zu hoffen wäre es, kämpft doch die Stadt seit ihrer Gründung damit, im Schatten der Tourismusmetropole Amsterdam nicht als Fluchtort für ärmere Bevölkerungsschichten gesehen zu werden. Vielleicht war es das anfänglich, als man mit billigen Grundstücken und Häusern lockte, um das Leerland zu bevölkern. Doch inzwischen ist Almere nicht mehr billige Satellitenstadt 20 Minuten von Amsterdam entfernt, sondern eine der zukunftsträchtigsten und am schnellsten wachsenden Städte Europas, was leider die explodierenden Miet- und Immobilienpreise der letzten Jahre mehr als deutlich zeigen. Doch immer noch gibt es Entwicklungsraum, auch wenn zum Beispiel das große experimentelle Stadtviertel Oosterwold schon ausverkauft ist, entsteht derzeit Wohnraum für mindestens  100 000 Menschen. Ob es wie geplant bei der Obergrenze von 350 000 bleiben wird, zeigt die Zukunft.

Expo Floriade Almere noch bis 9. Oktober 22
www.floriade.net

(Fotos folgen!)

 

Waltraud Isimekhai

 


Waltraud Isimekhai